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Ausschließlich positiv?

Begonnen von Oval 5, 16.07.2012, 04h53

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Oval 5

Zur Zeit ist ja jede Form von aversiven Reizen in der Hundeausbildung extrem in der Kritik.
Hundeschulen werben mit rein positiven Erziehungskonzepten, verhaltensgestörte Hunde
nehmen in ungeahnten Prozentsätzen zu
und wer für sich und seinen Hund eine passende
Erziehungsrichtung sucht ist gut beschäftigt ...

Da läßt mich dieser Absatz zum Clickertraining aufmerken weil eben doch wohl nicht alles so
schwarz-weiß ist, wie es mancher darstellt:

Zitat von:  http://www.beepworld.de/members/mewtoo2/clicker-training.htm Top 10 der Missverständnisse zum Thema Clicker-Training

Clicker-Training ist ausschliesslich positiv
Keine Trainingsmethode ist "ausschliesslich positiv". Leute die sagen, dass sie "ausschliesslich
motivierende" oder "ausschliesslich positive" Methoden anwenden, sagen lediglich aus, dass sie
nicht gern Strafe verwenden - wer tut das schon? Es ist nicht so, dass Clicker Trainer keine
aversive Kontrolle ausüben, aber die Reihenfolge ist anders. Beim Clicker-Training wird aversive
Kontrolle generell nicht benutzt, um Verhaltensweisen zu kreieren. Benötigte Korrekturen
werden fast immer am Ende des Lernzyklus angewendet, wenn der Hund die Verhaltensweise
bereits beherrscht. Wenn diese Reihenfolge korrekt angewendet wird, werden Sie überrascht
sein, wie selten Ihr Hund Korrektur braucht - aber es wird immer mal eine Zeit kommen, in der
dem Hund klar gemacht werden muss, dass Gehorsam nicht "optional" ist. ..................

Wie seht Ihr das?
Was für Erfahrungen habt Ihr gemacht?
Was versteht Ihr unter und wo beginnt "aversiv"?
Erzieht Ihr Eure Hunde oder sollen sie einfach machen können, was sie wollen?

KimC

Bei "strafe" wird meistens an schlagen, treten, oder E-halsbänder gedacht.
Wenn ich mir aber vor ein Hund Verstecke der sich etwas zu weit entfernt hat, ist das auch eine Strafe. Oder wenn ich ein hund der mein Kontakt such ignoriere. So habe ich Malous schwester "bestraft" weis sie gerne Kot fresste, und dan gleich zu mir zum kuscheln wollte. Das habe ich abgelehnt, und sie hat so langsam den sinn begriffen. 
Dort wo ich trainiere wird als maksimalstrafe ein spritz wasser eingesetzt.

Strafe kann die beifügung von etwas unangenehmes sein, wasser, oder ein "nein". Letzteres setzt voraus das der Hund bereits weiss was ein nein bedeutet. Das habe ich hier mit dem kastenkopf trainiert. (Ja = Ja Nej = Nein)
http://www.youtube.com/watch?v=L_Vx9GAufQA

Strafe kann auch die entziehung von etwas angenehmes sein, wie entziehung von aufmerksamkeit, oder kontakt zum Mensch. (was aber nicht stundenlanger einschliessung in ein dunkler raum bedeutet)

Oval 5

#2
 undecided.gif

Österreich:
ZitatGesundheitsminister Stöger überreichte Gütesiegel
an die ersten tierschutzqualifizierten HundetrainerInnen


Seit dem letzten Jahr bietet die Veterinärmedizinischen Universität Wien die Prüfung zur "tierschutzqualifizierten Hundetrainerin" bzw. zum "tierschutzqualifizierten Hundetrainer" an............ "Hunde als die besten Freunde des Menschen werden von den tierschutzqualifizierten HundetrainerInnen nach dem Prinzip der positiven Verstärkung trainiert - das heißt, erwünschtes Verhalten wird belohnt. Zum richtigen Umgang mit Hunden gehört es, ihre Bedürfnisse zu kennen und zu berücksichtigen", erklärt Stöger das tierschutzkonforme Gütesiegel für die Hundeausbildung.............Das einzigartige Gütesiegel basiert auf einer Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und Tierschutz, die einheitliche Qualitätskriterien für HundetrainerInnen vorgibt................
---weiter--->


Was tun die dann, wenn ein Hund darauf nicht positiv anspricht?



Joker

Ja, ich erziehe meine Hunde. Und ja, ich strafe auch körperlich. Das kann ein Pieken/ Bohren mit dem Zeigefinger an die Schulter oder den Po sein, im Sinne von "ich habe es gesehen, lass es bleiben"; ein Kneifen, wenn die Nacktschnecke trotz Verbot aufgenommen wird; oder bei entsprechendem Anlass ein fester Griff ins Halsband, den Hund heranziehen, darüber beugen und dumpfes Anschnauzen wobei mit Tod und Teufel stimmlich gedroht wird (dann bin ich aber auch wütend und strahle das aus. In dem Moment bin ich echt, keine Schauspielerei). Alle diese Maßnahmen reichen bei meinen Hunden und allen Hunden, die ich je hatte, unabhängig von der Rasse aus.

Und ich strafe immer sofort und ich strafe nie, wenn ich wegen etwas anderem sauer bin oder gestresst. In solchen Fällen ignoriere ich mir missfallendes Verhalten. Daher müssen, wenn ich einen miesen Tag habe, die Hunde immer so lange an der Leine bleiben, bis ich mit "Herz und Hirn" bei ihnen und ihrem Verhalten bin.

Grund: Bin ich während der Spaziergänge voll auf die Hunde konzentriert, dann brauche ich nur sehr selten zu strafen, denn ich kann sehen, was sie vorhaben und sie vorher zu mir pfeifen und für das Kommen belohnen. Und dann gehen wir weiter und Hund hat vergessen, was er in dem Moment als ich pfiff eigentlich vor hatte.

Gleichzeitig spreche ich immer freundlich mit meinen Hunden, säusel ihre Namen, die Namen und das "Hier" sind bei mir stimmlich immer positiv, liebevoll, fröhlich, halt diese "Beklopptenstimme".

Wenn ich strafe, dann ändere ich die Stimme in grob und abgehackt und meine Körperhaltung ist drohend.

Und wenn ich strafe, dann energisch. Ich "haue" auch lieber einmal richtig drauf, weil es wichtig ist, dass bestimmte Sachen sitzen, als 20x und der Hund kapiert nichts. Zum Beispiel zieht Duncan nicht, wenn er angeleint am Rad läuft, weil ich sehr deutlich gemacht habe, dass ich das nicht will, und zwar auch dann nicht, wenn eine Katze oder der Feind vor uns über die Straße wechseln. Auf einen Sturz mit Rad und Hund kann ich dankend verzichten.

Eine Bekannte von mir führt einen anspruchsvollen Hund, mit dem sie schon sehr viele Seminare besuchte. Momentan hat sie bei einem Seminar eine andere Strategie erarbeitet, die ich echt hart zum Ansehen finde. Diese Strategie ist sehr körperlich und erbarmungslos (Beispiel: Hund hängt sich schreiend und nach vorne zerrend in die Leine. Hund wird zurückgerissen an Leine. An Halsfell und Fell an Hinterteil hochgenommen, an die Seite gesetzt, mit Kommando). Das ist für den Halter und die Hunde absolut anstrengend, für den Halter eines entsprechend schweren Hundes auch körperlich anstrengend.

Mein Terrier hat das einige Male miterlebt und war geschockt. Er ist ein sehr weicher Hund.

Allerdings ist zu bedenken, dass die Hunde meiner Bekannten aus dem Tierschutz stammen und schwierig sind. Das lässt sich überhaupt nicht mit meinen Hunden vergleichen. In dieser Form muss und musste ich mich nie durchsetzen. Mein Terrier und mein Whippet wären völlig entgeistert, wenn ich sie so behandeln würde und sie tun auch nichts, was solche Maßnahmen im menschlichen Sinn rechtfertigen würde.

Joker

KimC

Wenn man ein welpenwurf beobachtet, und die Eltern auch dabei sind, dann wird man erleben wie die Hünding auch mal ein aufdringlicher Welpe seil platz zeigt, das se dabei ein Klicker verwenden habe ich nie beobachtet. Es wid zwar kein blut vergossen, aber bestraft wird die Welpe schonmal. Deshalb dürfte es auch den Hund im späteren Lebenb nicht fremd sein

Oval 5

Ja, es kommt sehr auf den Hund an.

Ich versuche, meine eigenen Ansprüche nicht albern ausufern zu lassen. Also nicht ziehen an der Leine wäre nett, geht hier aber leider auch nicht immer.. und wenn es wirklich anstrengend wird, bin ich auch mal anstrengend einen Moment lang, dann sind wir uns auch wieder einig. Schließlich ist der Zug schon nicht positiv - für mich nicht, aber auch für die Hunde natürlich nicht.
Dafür finde ich, sind sie im Freilauf weitgehend brav und auch erstaunlich kooperativ.
Wobei ich eben versuche, mich auf die wesentlichen Dinge zu konzentrieren und nicht wegen jedem Pipifax zu meckern. Vielleicht ist es Glück, vielleicht aber auch genau diese Haltung, daß ich mich wenig mit diesen kleinen Unarten wie in Kot wälzen etc. plagen muß - ich weiß das nicht. Windhunde sind keine Collies. Sie können schon lernen, aber sie lassen sich von anderen Eindrücken deutlich leichter ablenken, als ich das von Schäferhunden, Collies und Co kenne.

Körperlich strafen macht ja nur Sinn, wenn ein Hund dann nicht in Schockstarre verfällt. Für den Greyhound, wie ich ihn kennengelernt habe, ist es körperlich sehr schnell eher zu viel als zu wenig. Trotzdem gibt es auch bei mir negative Rückmeldungen, also welche, die dem Hund unangenehm sind.
Das kann ein anblasen sein oder ein Ruck an der Leine, ein akustischer Rüffel, Ignorieren, ein Erschrecken mal  - je nach Hund und Situation. Je früher ich eine Situation als "falsch" erkenne, desto weniger intensiv kann ich mich äußern und komme noch beim Hund an. Und wenn das unangenehme dann nicht mit mir in Verbindung gebracht werden kann - umso besser! Schließlich sollen sich die Hunde doch wohl und gut beschützt fühlen in meiner Umgebung? 

An sich finde ich den positiven Ansatz gut und richtig (und für das eigentliche Lernen ist er ja sowieso unverzichtbar), aber wo kein Licht da kein Schatten. Will sagen, wer nicht weiß, daß es negativ auch geht, wird das Positive viel weniger deutlich wahrnehmen. Wer eine schlechte Erfahrung gemacht hat (und oft reicht tatsächlich eine!), weiß anschließend die positiven Reaktionen auch doppelt zu schätzen.

Mal ein Beispiel.
Der Azawakh ist ja ein frecher Knopf. Der hat mich irgendwann innerlich zur Weißglut gebracht. Ich habe damals in den Lehm vom Acker gegriffen und einen Brocken trockene Erde etwa einen Meter vor ihm auf den Boden gedonnert. Der Lehm ist natürlich auseinander gespritzt in viele kleine Teile, die der Azi dann nicht kontrollieren konnte. Das fand er schrecklich obwohl er gar nichts abbekommen hat. Ein anderer Hund würde nur lachen über so eine Aktion.. der hat dann einen anderen Schwachpunkt, wo ich mit wenig Aktion viel erreichen kann.
Der Azi ist heute brav und gesittet, wenn ich mich draußen nur bücke um irgendetwas vom Boden aufzuheben und ihn ein bisschen streng anschaue. Da brauch ich nichts zu tun. Ich muß da nichts werfen. Und wie gesagt war es in dem Fall auch nie nötig, ihn auch nur anzulangen. Als positiv kann man so eine Erfahrung aber ganz sicher nicht verbuchen! Insofern stehe ich den "rein positiven" Ansätzen sehr skeptisch gegenüber.



Joker

Früher, also so vor ca 20 Jahren, war ich noch wahnsinnig streng, so Richtung "auf Kommando muss sich der Hund in die Pfütze legen". Finde ich für mich heute absolut blöd. Das Kommando habe ich auch mit absolutem Zwang durchgesetzt. Tja, und dann hatte ich einen Hund, der getan hat, was ich verlangte, aber so einen Blick hatte voller Verachtung, dass ich mich zum ersten Mal gefragt habe, was das soll. Und dann habe ich angefangen nachzudenken über das, was ich von einem Hund überhaupt will, wozu ich einen Hund in meinem Leben will und ob das wirklich nur ein Befehlsempfänger sein soll.

Ich will, dass mein Hund auf Pfiff freudig angerannt kommt, mit breitem Grinsen und meine Gesellschaft genießt und sozial ist und an die menschliche Gesellschaft und deren Regeln angepasst. Anpassung muss gelernt werden und ich bin dazu da, den Hund zu erziehen. Lernen nur mit Druck halte ich für unmöglich. Wer Angst hat, lernt nicht. Daher bin ich für Erziehung, die positiv geprägt ist. Aber gleichzeitig glaube ich, dass ich bereit sein muss, erforderlichenfalls meinen Erziehungsanspruch auch körperlich durchzusetzen. Geht der Hund nicht von meinem Sitzplatz, dann muss ich bereit sein, ihn da wegzuräumen und klarstellen, dass alles mir gehört und ich nur großzügig teile, wenn mein Besitzanspruch akzeptiert wird.

Hunde sind körperlich, sie agieren untereinander körperlich, wenn ihre Interessen es erfordern. Daher ist ihnen Gewalt nicht fremd. Aber ich bin kein Hund und kann nicht handeln wie ein Hund. Daher muss ich meinen eigenen Weg finden, mich körperlich durchzusetzen und zwar so, dass mein Hund mich versteht, ohne dass ich sein Vertrauen zu mir verletze. Wobei meine Hunde da sehr unterschiedlich reagieren.

Der Terrier ist schon "entsetzt", zeigt dies körperlich, wenn ich ihn streng anrede und mich vorbeuge. Jede von ihm geplante Handlung wird unterbrochen. Der Whippet ist aus härterem Holz. Unbekümmerter, selbstbewusster, fröhlicher, frecher und dreht mir gern eine lange Nase. Den kann ich in den Po pieken bis der Finger auf der anderen Seite rauskommt. Da muss ich schon mal kneifen, damit er Blödsinn lässt. Wenn ich mich vorbeuge, dann hüpft er hoch und schleckt mir über die Nase  lol_27.gif klimper.gif. Und auch da muss ich überlegen, wie ich damit umgehe.

Wahrscheinlich gehöre ich der Fraktion "Wattebausch" an, aber in meinen Wattebäuschen sind Dornen versteckt.

Vieles fällt mir heute im Umgang mit meinen Hunden leichter, weil ich weiß, was ich von ihnen erwarte, auch in Punkto Gehorsam und mir Rassen ausgesucht habe, denen ich gerecht werden kann. 

Joker

KimC

Uch, vor 20 jahren haben wir damals hunde anders trainiert. Der Hund musste nicht nur bei abruf kommen, sondern sich so und genau so links beim Führer setzen, und wehe es war schief. Weil der Hund das zuletzt geschehene als ursache für den erfolg sieht, wurden sie nie für das kommen an sich belohnt, sondern nur für das parallel einparken.
Als Windihalter ist man froh wenn der Hund überhaupt kommt, so heisst es. Aber wenn man das kommen beim Abruf richtig trainiert hat - nd das kann man mit positive methoden, dann klappts auch. Ich habe sogar malou bei eine Verfolgiung von 2 Hasen erfolgreich abgefufen. Sie fand das ich von ihr so begeistert war das ich sie jetzt sehr gut geworden ist. Das parallel einparken haben wir verscrottet. Ist eh nur Vorführtheater.

Joker

 greyTs_kiss.gif Ja, damals haben wir anders trainiert und auch andere Sachen. "Verschrottet" finde ich gut !!!  daumen.gif

Oval 5

#9
Ich habe einen Teil meines Lebens auf einem winzigen Bauernhof mit Milchschafen verbracht. Milchschafböcke haben eine etwa 5 cm dicke Schädeldecke, mit der sie auf den ebenso bewährten Kopf ihres Kontrahenten krachen um die Rangordnung auszumachen. Fehlt so ein Konkurrent und der Bock ist in der Brunftzeit unterbeschäftigt, kracht der mit seinem Kopf auch die halbe Nacht gegen eine Ziegelwand. Morgens ist dann der Kopf blutig. (Hab ich selber erlebt..)

Wenn man versucht, so einem Tier mit seinen eigenen Mitteln zu kommen, zieht man als Mensch unweigerlich den Kürzeren. Man dreht so einem Schafbock (und oft auch den Schafen) besser nie den Rücken zu! Gibt genug Geschichten von Schäfern, die von ihren eigenen Böcken in's Jenseits befördert worden sind.

Wieso erzähle ich das? - weil ich damals auf diesem besagten Bauernhof gelernt habe, daß man auch ganz anders körperlich reagieren kann, und damit dann gewinnt: "Lang dem an die Eier" hat man mir gesagt - das verunsichert so einen Bock... dann ist er wieder brav.
Was tut man dabei? Man bleibt wohl im Körperlichen, aber man tut etwas, was die Spezies selber nicht im Repertoire hat und weil man eine empfindliche Stelle wählt, muß man auch nicht grob werden. Damit bekommt man den Respekt, den man braucht, um in so einem Stall mit frei laufenden ziemlich starken Tieren zurecht zu kommen, ohne ihnen weh tun zu müssen. Aber .. auch das ist "aversiv", d.h. das Tier könnte gut und gerne drauf verzichten.